Mehr Rechte für Betriebsräte – Ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ein großer Wurf?

Am 31.03.2021 hat das Bundeskabinett einen Entwurf eines Gesetzes beschlossen, das zunächst als #Betriebsrätestärkungsgesetz bekannt geworden war. Dieser Begriff wird auch immer noch verwendet. Inzwischen heißt das Gesetz aber #Betriebsrätemodernisierungsgesetz.

Warum gibt es dieses Gesetz und was ist der Zweck?

Nach Recherchen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) gibt es in Deutschland ein echtes Problem. Denn nach einer Erhebung aus 2019 verfügen nur noch 9% der betriebsratsfähigen Betriebe in West- und 10% der betriebsratsfähigen Betriebe in Ostdeutschland über einen Betriebsrat. D.h., in den Betrieben, in denen eigentlich ein Betriebsrat gegründet werden könnte, ist dies eine absolute Ausnahme. Ein weiterer Wert zeigt aber, dass dies vor allem auch an der Größe der Betriebe liegt. Denn immerhin sind im Westen 41% der Beschäftigen und im Osten 36% der Beschäftigten von Betriebsräten vertreten. Dies zeigt, dass in großen bis sehr großen Betrieben Betriebsräte oft gegeben sind.

Daneben ist es nach der Analyse des BMAS so, dass oftmals die Arbeitgeberseite sehr aktiv die Gründung von Betriebsräten verhindert. Einige der Fälle gehen auch durch die Presse. So ist bekannt, dass einer der größten deutschen Discounter immer noch ohne Betriebsrat arbeitet. Es werden zudem auch tatsächlich immer wieder einmal Fälle bekannt, in denen die Arbeitgeberseite tatsächlich die Gründung von Betriebsräten verhindert hat.

Oft wird argumentiert, dass Betriebsräte viel Geld und Zeit kosten würden. Aus meiner Praxis kann ich sagen, dass dies nicht stimmt. In einem funktionieren Betrieb mit einem funktionierenden Verhältnis zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberseite führen Betriebsräte dazu, dass es den Betrieben besser geht und auch, dass es für die Arbeitgeberseite einfacher wird. Hier ist aber zum einem eine gute rechtliche Beratung gefragt und zum anderen ein gutes Konfliktmanagement. Wie immer gilt: Die Kommunikation ist das A und O.

Was genau soll jetzt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz schaffen?

Es soll an den o.g. Problempunkten ansetzen. D.h., kleinere Betriebe sollen sich davon angesprochen fühlen und das Verhindern einer Betriebsratsgründung soll erschwert werden.

Bei der #Betriebsratswahl gibt es das normale und das vereinfachte Wahlverfahren. Ein wichtiger Punkt der Modernisierung ist, dass dieses vereinfachte Verfahren nun für mehr Betriebe verpflichtend zur Anwendung kommen soll. Bei Betrieben mit 5 bis 100 Beschäftigen soll verpflichtend das vereinfachte Wahlverfahren angewendet werden müssen und bei Betrieben zwischen 101 und 200 Beschäftigten soll die Möglichkeit bestehen, freiwillig das vereinfachte Wahlverfahren durchzuführen. Daneben wird die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften für Wahlvorschläge reduziert. Dies soll insbesondere kleineren Betrieben helfen, Betriebsräte zu gründen. Damit sich mehr mutige Arbeitskräfte finden, welche die Betriebsratswahl einleiten, wird der Kündigungsschutz dieser Personen verbessert. Es werden nicht nur drei, sondern jetzt sechs Personen beschützt. Es wird auch noch ein weiterer Kündigungsschutz eingeführt, wenn Arbeitende die Absicht zur Gründung eines Betriebsrats in einer notariell beglaubigten Erklärung dokumentieren und entsprechende Vorbereitungshandlung unternehmen.

Neben diesen Maßnahmen zur Betriebsratswahl hat der Minister Herr Hubertus Heil auch noch weitere Punkte in dem Gesetz geregelt, die mit der Betriebsratswahl eigentlich gar nichts zu tun haben. Er versucht aber so die Mitbestimmung zumindest teilweise an das aktuelle Jahrhundert anzupassen.

Die wesentliche Punkten sind folgende:

  • Es erfolgt eine Klarstellung, dass die Rechte des Betriebsrates bei der Gestaltung von Arbeitsumgebung und Arbeitsabläufen auch dann greifen, wenn künstliche Intelligenz (KI) im Betrieb eingesetzt werden soll
  • Immer dann, wenn der Betriebsrat die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss, gilt die Hinzuziehung eines Sachverständigen in diesem Bereich als erforderlich
  • Es soll ein echtes Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit geben
  • Für berufliche Bildung und insbesondere Weiterbildung sollen die Rechte des Betriebsrates enorm gestärkt werden. Dort soll es nun die Möglichkeit einer Einigungsstelle geben. Dies zeigt immer an, dass es sich um besonders starke Rechte des Betriebsrats handelt.
  • Unabhängig von der Covid-19-Pandemie soll es Betriebsräten auch in Zukunft möglich sein, Betriebsratssitzungen im Rahmen von Video- und Telefonkonferenzen zurückzugreifen. Allerdings soll die Präsenzsitzung immer noch Vorrang haben.
  • Auch der Abschluss von Betriebsvereinbarungen, des Interessenausgleichs und des Sozialplans können zukünftig mit qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden.
  • Es erfolgt eine Klarstellung, dass es nicht der Betriebsrat ist, der bei der Verarbeitung personenbezogene Daten verantwortlich im Sinne des Datenschutzrechts ist. Dies bleibt der Arbeitgeber.

Wenn mir jetzt die Frage gestellt wird, ob das Gesetz der große Wurf ist oder nicht, so ist die Antwort nicht einfach.

Das Ziel des Gesetzes war, dass die Gründung und die Wahl von Betriebsräten deutlich erleichtert werden sollte. Ist dies gelungen? Es sind auf jeden Fall Schritte in die richtige Richtung, würde ich sagen. Ich stelle mir aber die Frage, ob tatsächlich allein durch solche Maßnahmen mehr Betriebsräte gegründet werden. Denn die Verhinderung oder auch die Behinderung einer Betriebsratswahl ist bereits jetzt eine Straftat. D.h., eigentlich bestehen bereits jetzt sehr hohe Hürden für die Arbeitgeberseite, in die Betriebsratswahl einzugreifen. Das Risiko ist enorm. Dennoch passiert es. Wirklich erfreulich ist die Vorverlagerung des besonderen Kündigungsschutzes und die Einführung eines neuen Kündigungsschutzes. Denn natürlich ist und bleibt die Angst vor einer Kündigung die größte Hemmung für die Belegschaft einen Betriebsrat zu gründen.

Das Einzige, was man in Betracht ziehen könnte, wäre es, dass man noch genauer formuliert, was Verhinderungsstrategien der Arbeitgeber sind und diese noch klarer sanktioniert.

Abseits des rechtlichen brauchen wir vor allem ein Umdenken. Die Belegschaft muss wieder mehr verstehen, dass es sehr sinnvoll ist, Betriebsräte an ihrer Seite zu haben. Vielleicht ist der Eindruck in der aktuellen Corona-Pandemie bleibend und die Arbeitenden erinnern sich daran, dass gerade in solch schwierigen Zeiten Betriebsräte unheimlich wichtig waren und sind.

Die weiteren Punkte des Gesetzes sind sehr erfreulich, allerdings auch nicht der große Wurf. Trotzdem ist es natürlich sehr zu begrüßen, dass endlich in das Betriebsverfassungsgesetz das 21. Jahrhundert Einzug hält. Die vorgenommenen Änderungen sind ausnahmslos positiv zu bewerten. Hier kann dies aber nur der erste Schritt gewesen sein. Es gibt noch viele weitere Bereiche, in denen die Mitbestimmung noch nicht der aktuellen Arbeitswelt entspricht. Wir brauchen gar nicht darüber reden, dass sie mit Sicherheit nicht dem #Arbeiten21, also den Themen #newwork oder #Arbeiten4.0 entspricht.

Wie soll die Betriebsratsarbeit des 21. Jahrhunderts aussehen? Was ist zu tun?

Einfach hier kommentieren oder kurze Fragen per E-Mail an mich richten. Nur in dem Austausch gelingt es, dass wir #zusammenwachsen.

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