Schule vor Umwelt oder Umwelt vor Schule? Das Problem mit Dogmen in der Kommunalpolitik

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Was ist ein Dogma?

              „verbindliche, normative Glaubensaussage“ s. Duden

Wie einigen bekannt ist, bin ich seit kurzem Mitglied der Bezirksvertretung (BV) Köln Nippes. In der letzten Sitzung Mitte März wurde ein denkwürdiger Beschluss gefasst, auf den ich näher eingehen möchte. Denn in der BV wurde ein Beschluss gefasst, an den ich mich in der Zukunft nicht zwingend halten werde. Weil ich ihn für falsch halte. Ein Dogma hat bei wichtigen Sachfragen nichts zu suchen. Es geht um folgende Entscheidung:

„Interimslösungen, die städtische Grünflächen, wie bspw. Landschaftsschutzgebiete oder Parks, versiegeln bzw. für die Bäume gefällt werden müssen, werden in Zukunft abgelehnt. Als Interimslösungen sollen Sport- oder Parkplätze, oder ähnliches gefunden werden.“

Der Beschluss bedeutet, dass ich im Prinzip in Zukunft keiner Interimslösung für Schulbauten oder Krankenhaussanierungen, etc. zustimmen könnte. Denn dies hat das Mehrheits-Bündnis aus Grünen, Klimafreunden, die Linke, FDP und GUT bei uns so beschlossen.

Also eigentlich hat es gar nicht dieses Bündnis beschlossen, sondern CDU, Die Partei, einzelne Grüne und wir als SPD. Wie konnte es dazu kommen?

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Nun, uns als BV wurde von der Verwaltung eine Vorlage zur Entscheidung vorgelegt, da die Grundschule in der Halfengasse in Niehl dringend saniert werden muss, und man plante eine Interimslösung in einem Landschaftsschutzgebiet. Einigkeit bestand zwischen allen Bezirksvertreter:innen, dass wir wieder mal zu spät und unzureichend eingebunden worden waren. Wir sollten super schnell und mit dürftigen Informationen entscheiden.

Dass die Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt besonders werden würde, war bereits zu Beginn klar. Denn der Fraktionsvorsitzende der Grünen teilte mit, dass man im „Bündnis“ intensiv diskutiert habe und man vorher nicht sagen könne, ob man zustimmt. Dies sei jedem selbst überlassen, es gehe ja auch um den „Glauben“. Das genau hat er so gesagt. Er meinte damit, dass es um den Klimaschutz geht. Ein unheimlich wichtiges Thema, auch für uns. Aber wie man so schön in Köln sagt: Der Glaube gehört in die Kirche.

Das Mehrheitsbündnis verlangte, dass Änderungen an der Vorlage der Verwaltung vorgenommen werden. Unter anderem sollte die oben zitierte Formulierung einfließen. Zu diesem Punkt wurde es richtig laut und man erhob die Stimme, „man müsse den Klimawandel auch ernst nehmen“. „Es sei Klimanotstand und das muss auch etwas bedeuten“. „Immer seien es die Grünflächen und die Natur, die leiden müssten“.

Bitte nicht falsch verstehen. Die meisten Punkte sind absoluter Konsens in der gesamten, demokratischen Bezirksvertretung. Aber wir als Fraktion haben es abgelehnt, hieraus ein Dogma zu machen. Wir haben daher vorgeschlagen, dass wir beschließen, dass der Bau auf Grünflächen die „Ultima ratio“, also wirklich die letzte Möglichkeit sein muss.

Der getroffene Beschluss bedeutet ja, auf gar keinen Fall darf eine Grünfläche oder ein Schutzgebiet für einen Interimsbau genutzt werden. Das ist aber ein Problem. In Köln ist ein Großteil der Schulen sanierungsbedürftig, auch andere wichtige öffentliche Einrichtungen sind in sehr schlechtem Zustand. Wenn man dort sanieren und auch die Gebäude fit für den Klimawandel machen will, dann müssen wir Ausweichlösungen finden. Köln ist aber eine unheimlich verdichtete Stadt. In der Nähe der Bauprojekte wird es nahezu immer schwierig sein, einen geeigneten Platz zu finden, auf den eine Schule für die Dauer einer Sanierungsmaßnahme umziehen kann. Kinder einmal durch die ganze Stadt fahren, wenn sie zur Schule müssen, ist aber auch nicht die Lösung. Der getroffene Beschluss bedeutet, auch wenn es keine andere Möglichkeit gibt, müsste ich eine Interimslösung ablehnen, die eine Grünfläche betrifft. Da freuen sich die Eltern, Lehrer:innen und Schüler:innen. Aber man stelle sich auch einmal vor, ein städtisches Krankenhaus müsste saniert werden und die einzige Möglichkeit für einen Interimsstandort wäre in einem Park gegeben.

Wir als Fraktion wollen jede einzelne Situation genau bewerten. Auch für uns ist klar, dass Versiegelungen auf Grünflächen und in Schutzgebieten nur die absolute Ausnahme sein sollen. Aber es kategorisch ausschließen? Nein. Das können und wollen wir nicht. Ich will auch darüber entscheiden, ob wir einen Park oder einen Sportplatz nutzen. Denn auch das sind wichtige Themen. Es gibt auch viel zu wenig Plätze, wo Kinder und Jugendliche Sport machen können. 

Wenn Dogmen oder Glaubensfragen in die Entscheidung einbezogen werden, dann leiden die Menschen vor Ort. Denn es ist unsere Aufgabe, die verschiedenen wichtigen Themen und Anforderungen vor Ort unter einen Hut zu bringen. Dazu gehören Klimaschutz, Schulbau und auch Sport.

Wir waren nun aber gezwungen dem Dogma des Mehrheitsbündnisses zuzustimmen. Warum? Weil die Koalitionäre in der Abstimmung diese Grundsatzfrage mit der konkreten Entscheidung über die Schule in der Halfengasse verbunden hatten. Wir konnten entweder der Sanierung mit dem Zusatz zustimmen oder sie insgesamt ablehnen. Die Sanierung ist aber unheimlich wichtig und wir mussten daher zustimmen. Das sah das Mehrheitsbündnis übrigens anders. GUT, Klimafreunde, Die Linke und zwei Mitglieder der Grünen haben sich anschließend zu der Sanierung (und damit auch zu ihrem eigenen Dogma) enthalten. Die FDP lehnte die Sanierung sogar ab. Nachdem der FDP-Vertreter vorher sogar FÜR das harte Dogma gestimmt hatte, lehnte er die Sanierung grundsätzlich ab. Die FDP ist also gegen die Sanierung der Schule. Ohne unsere Zustimmung wäre aber die Sanierung insgesamt in Gefahr gewesen. Wenn es wieder zu einer entsprechenden Frage kommt, werde ich die verschiedenen wichtigen Aspekte gegeneinander abwägen und in der Sache entscheiden. Der Klimaschutz wird dabei eine sehr hohe Priorität habe. Es wird für mich aber kein Dogma sein, der eine sonst unmögliche Schulsanierung oder ähnliches verhindert.

Henning Meier

März 2021

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